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4.8.3.8 - Bad Nenndorf, St. Godehard, Entwurf zur Westfassade, Teilgrundriß und Aufriß



4.8.3.8 - Bad Nenndorf, St. Godehard, Entwurf zur Westfassade, Teilgrundriß und Aufriß


Inventar Nr.: GS 18378
Bezeichnung: Bad Nenndorf, St. Godehard, Entwurf zur Westfassade, Teilgrundriß und Aufriß
Künstler: Julius Eugen Ruhl (1796 - 1871), Architekt/-in, Entwurf
Datierung: 26.04.1842
Geogr. Bezug: Bad Nenndorf
Technik: Feder in Schwarz
Träger: Transparentpapier
Wasserzeichen: -
Maße: 43,7 x 34 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab ohne Maßeinheit
Beschriftungen: oben mittig: "Entwurf zur Erbauung einer Kirche / für Nenndorf" (Feder in Schwarz)
unten rechts: "d., 26. April 1842" (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Eine besondere Schwierigkeit bei dem Neubauprojekt der Bad Nenndorfer Kirche stellte die Erhaltung des alten romanischen Turmes dar. Zusätzlich zu den bisher eingereichten Entwürfen forderte das Ministerium des Innern im Januar 1842 weitere Alternativen an. Der von Julius Eugen Ruhl im April 1842 angefertigte Entwurf entstand in diesem Zusammenhang. Abweichend von den bis dahin vorgelegten neoromanischen Entwürfen entwickelte Ruhl eine Fassade mit spätromanisch-frühgotischen Stilelementen und kam damit dem Wunsch des Ministeriums nach einer reicher dekorierten Fassade entgegen.
Der weit vorkragende Turm, den Ruhl in einer stumpfen anglisierenden Form mit einem dreigeschossigen, von Lisenen gerahmten Unterbau und einem hohen Freigeschoß ausführte, dominiert die Westfront. Der dreizonige Wandaufriß besteht aus einem Säulenportal mit Tympanon, einer unmittelbar darüber ansetzenden dreiteiligen hohen Arkade, die von Wimpergen bekrönt wird, und einem runden Maßwerkfenster, das mittelalterliche Fensterrosen rezipiert. Darüber erhebt sich das eingezogene Freigeschoß mit der Glockenstube. Die mittlere Mauerfläche öffnet sich in der Gestalt eines hohen, spitzbogigen Maßwerkfensters mit zwei Lanzetten und Couronnement. Ein Blendbogenfries und eine darüber angeordnete Maßwerkbrüstung beschließen den Fassadenaufbau von Unterbau und Freigeschoß. Hohe Lanzettfenster gliedern die seitlichen, mit einem Pultdach an den Turm anstoßenden Langhausbereiche. Die von Baldachinen bekrönten Lisenen gestalten die Gebäudeecken und wiederholen zugleich das auch am Turm verwendete rahmende Element.
Die dreizonige, von Lisenen gerahmte Fassadenstruktur kann auf Ruhls Studien der italienischen Kirchenarchitektur zurückgeführt werden. Durch ein Reisestipendium war es ihm möglich gewesen, architekturgeschichtlich interessante Objekte vor Ort in Augenschein zu nehmen. Die erhaltenen Skizzenbücher geben Auskunft über einen Teil seiner Reiseziele und präsentieren Objekte, mit denen er sich zeichnerisch auseinandersetzte. So zeigt die Fassade von San Feliciano in Foligno, die Ruhl in seinem "römischen" Skizzenbuch (GS 5404, fol. 7r) abbildete und in seinem Werk "Denkmaeler der Baukunst in Italien" auch veröffentlichte, einen vergleichbaren Aufbau des Fassadenmittelteils aus Säulenportal, Blendbogenfries und Fensterrose. Die vertikale Dreiteilung durch baldachinbekrönten Lisenen findet sich dagegen an der Kirche San Martino in Pietrasanta (nahe Lucca). In seinem neapolitanischen (!) Skizzenbuch (GS 5403) ist diese toskanische Kirche zweimal vertreten. In viel deutlicherem Ausmaß verwendete Ruhl deren Gestaltungsmerkmale für den Entwurf der katholischen Kirche in Hanau (s. GS 18374 u. L GS 8092). Ruhl ist kein Verfechter eines doktrinär aufgefaßten Historismus, vielmehr setzte er mittelalterliche Architekturdetails versatzstückartig ohne konstruktive Notwendigkeit ein.
Da die vielen Zierelemente, die Ruhl dem vorliegenden Entwurf zugrunde legte, aufwendige Steinmetzarbeiten erforderlich gemacht hätten, schlug der für die Bauausführung zuständige Lichtenberg zur Kostenreduzierung vor, den Bau bis auf die Dekorationselemente aus Backsteinen zu errichten (StAM Best. 16, Nr. 11040, 13.10.1842). Nach anfänglicher Zustimmung von seiten des Ministeriums gaben die zu erwartenden hohen Baukosten jedoch den Ausschlag, einen wesentlich reduzierten Entwurf zur Ausführung zu bestimmen.
Das als " Entwurf zur Erbauung einer Kirche / für Nenndorf" betitelte Transparentpapier fertigte Ruhl vermutlich als Pause von dem Abgabeexemplar an. Es befindet sich auf blauen Karton geklebt in einem Klebeband, der zumeist Nachzeichnungen bzw. Pausen von Projekten anderer Architekten enthält.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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