2.3.23.5 - Kassel-Wilhelmshöhe, Schloß, Weißensteinflügel, Erdgeschoß, Bibliothekssaal (Raum 4), Entwurf für die Boiserie, Aufriß



2.3.23.5 - Kassel-Wilhelmshöhe, Schloß, Weißensteinflügel, Erdgeschoß, Bibliothekssaal (Raum 4), Entwurf für die Boiserie, Aufriß


Inventar Nr.: SM-GS 1.3.896
Bezeichnung: Kassel-Wilhelmshöhe, Schloß, Weißensteinflügel, Erdgeschoß, Bibliothekssaal (Raum 4), Entwurf für die Boiserie, Aufriß
Künstler: Johann Conrad Bromeis (1788 - 1855), Architekt/-in, Entwurf
unbekannt, Zeichner/-in, Ausführung
Datierung: um 1820
Geogr. Bezug: Kassel-Wilhelmshöhe
Technik: Graphit, Feder in Schwarz
Träger: Velinpapier, auf Unterkarton montiert
Wasserzeichen: -
Maße: 56 x 76,5 cm (Blattmaß)
Maßstab: unbezifferter Maßstab ohne Maßeinheit
Beschriftungen: unter der Darstellung: "Fensterwand" (Feder in Schwarz)
unter der Darstellung: "lange Grundwand" (Feder in Schwarz)
unter der Darstellung: "1te und 2te Seitenwand sind sich gleich" (Feder in Schwarz)
oben mittig: "Bibliotheck Sal mit projectierter Veränderung der Boiserie im 1ten Schloßflügel zu Wilhelmshöhe" (Feder in Schwarz)
verso: "N: 5" (Farbstift in Rot)
verso: "Schloß" (Graphit)
verso: "Schloß Wilhelmshöhe[...]Zeichnung" (Graphit)


Katalogtext:
Die Zeichnung gibt Auskunft über die in den 1820er Jahre unter der Regentschaft von Wilhelms II. geplante Veränderung der Wandgestaltung in dem "Bibliothek Sal", dem stadtseitigen Galerieraum im Erdgeschoß des Weißensteinflügels (heute Bildnisgalerie).
Der fünfachsige, zur Stadtseite gelegene Raum war als Empfangssaal angelegt und gehörte neben dem benachbarten Speisesaal zu den Gesellschaftsräumen von Schloß Weißenstein. Dem eintretenden Besucher wurde hier die Sammlung von "23 auserlesenen Gemälden von Tischbein" (Apell 1792, S. 33f., zit. nach Brunckhorst 2006, S. 33) präsentiert, deren Hängung durch einen historischen Plan (Potsdam, SPSG, Plankammer, Inv.Nr. 19847 u. 19848) dokumentiert ist. Als Bibliothek geplant war zunächst der westliche Galeriesaal mit Apsis, der jedoch bereits Ende des 18. Jahrhunderts die Funktion eines Speisesaals erhalten hatte (s. GS 18396). Ein Saal in der Beletage, der sich in Analogie zur Galerie im Erdgeschoß über die gesamte Gebäudetiefe erstreckte, wurde daraufhin als Bibliothek eingerichtet. Rundbogige, in der Mitte gegeneinander gesetzte Einbauten teilten als Bücherregale den Raum. Durch das stete Anwachsen der Bücherbestände mußte die Bibliothek dann in die zweite Etage verbracht werden, wo sie das gesamte Geschoß einnahm (Holtmeyer 1910, S. 322, Anm. 1; Dittscheid 1987, S. 93f.; in einem Grundriß sind die einzelnen Abteilungen der Bibliothek eingetragen, s. Potsdam, SPSG, Plankammer, Inv.Nr. 19766). Dort entstand ein fürstliches 'Wissenszentrum' für private Studien, bestehend aus mehreren Bibliotheksräumen u. a. mit den Abteilungen Militaria, europäische Geschichte, Politik, Genealogie, Literatur, Theater, Pläne und Stichwerke sowie einem Drechselzimmer. Nach der Fertigstellung des Corps de Logis wurde die Bibliothek zwischen September und November 1799 schließlich in das zweite Obergeschoß des Mittelbaus überführt, wo auf der Gartenseite anstelle einer Reihe nur durch Fachwerkwände getrennte Kammern ein passender Saal über neun Fensterachsen angelegt wurde (Holtmeyer 1913, S. LXXXVII; Dittscheid 1987, S. 138, 146 u. 150; s. a. GS 5740 u. GS 12492). H. Ch. Jussow bemerkte dazu in den von ihm geführten "Historischen Nachrichten": "[...] die 2te und 3te Etage [wurde] ausgebauet und in der ersten die Fürstle. Bibliothec im dazu bestimmten Sale aufgestellt. Die Versetzung der Bibliothec zog in der 2ten Etage des 1ten Schloß Flügels, in welcher sie bisher gestanden hatte, eine große Veränderung nach sich, indem diese nunmehr zu verschiedenen Wohn-Apartement eingerichtet worden ist" (zit. nach Holtmeyer 1913, S. LXXXVII).
Der galerieartige Saal im Erdgeschoß des Weißensteinflügels wurde unter Jérôme Bonaparte zu einer "Salle de Compagnie où on an placé un petit théatre" (Inventaire du Pavillon du Sud à Napoleonshöhe) umfunktioniert. Vermutlich präsentierte sich der Raum zu der Zeit noch in seinem barocken Erscheinungsbild und wies die mit grün gemustertem Seidendamast bespannten Wände auf (Brunckhorst 2006, S. 33). Erst Wilhelm II. veranlaßte eine weitreichende Renovierung des Weißensteinflügels, im Zuge derer auch der Galeriesaal im Erdgeschoß einen modernen Raumeindruck erhalten sollte. Im Sommer 1825 erfolgte der Einbau der wandhohen Boiserien und deren Anstrich (zunächst in Weiß; frdl. Mitteilung von Henriette Graf, München).
Der vorliegende Entwurf, der im Baubüro des Oberbaudirektors Bromeis, aber wohl nicht von seiner Hand ausgeführt wurde, zeigt die beiden Längswände mit den zum Vestibül führenden Türen und den fünf rundbogigen Fenstern zur Stadtseite sowie eine der beiden Schmalseiten, deren Türöffnungen in die benachbarten Räume führen. Die Boiserie präsentiert die für die Zeit nach 1800 typische Dreiteilung aus einer Sockelzone, die von der Wandfläche durch ein umlaufendes Gesims abgegrenzt ist, und dem mehrteiligen Abschlußgesims. Während die Sockelzone eine horizontale Gliederung mit mehrfach abgesetztem Spiegelfeld zeigt, weist die Wandfläche eine vertikale Struktur mit drei übereinander angeordneten Spiegelfeldern auf. Der Entwurf wurde mit geringen Abweichungen - die Täfelung der Sockelzone wurde nochmals unterteilt - in dieser Form umgesetzt. Der Hinweis auf dem Blatt, die beiden Schmalseiten seien gleich zu gestalteten ("1e und 2e Seitenwand sind gleich"), trifft allerdings nicht zu, da bei einer Enfilade die Türen der sich gegenüberliegenden Schmalseiten jeweils an den entgegengesetzten Enden anzuordnen sind. In dieser Weise wurde bei der Umsetzung des Entwurfs auch verfahren.
Stand: August 2007 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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