4.27.1.1 - Hamburg, St. Katharinen, Entwurf zum Kirchturm, Aufriß



4.27.1.1 - Hamburg, St. Katharinen, Entwurf zum Kirchturm, Aufriß


Inventar Nr.: GS 14622
Bezeichnung: Hamburg, St. Katharinen, Entwurf zum Kirchturm, Aufriß
Künstler: unbekannt
Datierung: 1732 (vor)
Geogr. Bezug: Hamburg
Technik: Feder und Pinsel in Schwarz, grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: Krone über Wappenschild mit zwei Schrägbalken, "LVG"
Maße: 304 x 44 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "fuß"
Beschriftungen: verso: "No 2958" (Feder in Braun)


Katalogtext:
Das in ungewöhnlichem Format (304 x 44 cm), aus mehreren Teilen zusammengesetzte Blatt hat einen hohen dokumentarischen Wert. Es zeigt einen verworfenen Entwurf für den barocken Kirchturm der Katharinenkirche in Hamburg.
Die zweigeschossige Fassade, die Johannes Nicolaus Kuhn 1732 bis 1737 anstelle der baufälligen und abgesunkenen Renaissance-Arkadenverkleidung schuf, präsentiert in hierarchischer Anordnung eine mehrteilige Eckpilastergliederung dorischer bzw. ionischer Ordnung auf hohem Sockel. Die Mehrschichtigkeit des Mauerwerks prägt auch den mittleren Fassadenabschnitt, wo über dem von Säulen flankierten rundbogigen Hauptportal ein zweiflügeliges ädikulagerahmtes Rundbogenfenster und ein doppeltes Sprossenfenster mit geschweifter Rahmung ohne Unterbrechung übereinander gesetzt sind. Bemerkenswerte Details bilden die Türfüllung mit Rokokoornamentik und das Gebälk mit Kartusche, die den Schriftzug "Jehova" zeigt. Im Obergeschoß füllt ein Segmentbogenfenster den durch den Pilastersockel definierten Bereich. Den oberen Wandabschnitt gliedert ein Rundbogenfenster mit geschweifter Verdachung, das auf einer vorgeblendeten Mauerfläche mit Rücklage aufsitzt. Den Fassadenabschluß bildet ein verkröpftes Gebälk mit hohem, reich profiliertem Kranzgesims, das die Mauerschichtung der Pilastergestaltung weiter fortführt. Ein Glockengeschoß mit mittigem Uhrenzifferblatt und seitlichen Schallöffnungen überführt unter Vermittlung einer konkaven Verdachung die rechteckige Grundform des Turmes in die oktogonale Form des Turmhelms. In aufwendiger Ausführung erhebt sich der 1656/57 errichtete Helm aus drei sich verjüngenden welschen Hauben mit zwischengesetzten offenen Laternen. Er entstand nach den Plänen des sächsischen Zimmermeisters Peter Marquardt, der auch für den Neubau der Nikolaikirchturmspitze verantwortlich war. Vergleichsobjekte stellen die zwei- und dreigeschossigen Laternenbauten der im frühen 17. Jahrhundert in Dänemark und den Hansestädten wie Greifswald, Riga oder Reval erbauten Turmspitzen dar (Klée Gobert 1968, S. 110-112; Heckmann 2000, S. 325f., 342f.) .
Die über mehrere Geschosse reichende Portal-Fenster-Gliederung des vorliegenden Entwurfs wurde in der späteren Ausführung stärker gestrafft. So ist die Sockelzone in beiden Geschossen weggefallen. Die mehrteilige Wandvorlage an den Turmecken reduzierte Kuhn auf Pilaster und Rücklage. Die Ädikularahmung des Rundbogenfensters wurde zurückgenommen und dafür dem verkröpften Gebälk über dem Portal ein gebrochener Segmentbogengiebel hinzugesetzt. Das Rechteckfenster mit geschweifter Rahmung im ersten Geschoß tauschte Kuhn gegen ein querovales Fenster, desssen Umriß sich stärker auf die Rundbogenform des darunterliegenden Fensters bezieht. Durch den Wegfall der durchfensterten Sockelzone im zweiten Geschoß verändert sich die Aufteilung. Die Anordnung von zwei, in der Größe nach oben hin abnehmenden Rundbogenfenstern übertrug Kuhn in der Ausführung nun auch auf das zweite Geschoß.
Die Zeichnung geht von einem ebenerdigen Standpunkt des Betrachters aus. Die Darstellung der oberen Geschosse entspricht dieser Perspektive jedoch nicht. Gerade die Turmgeschosse sind im Verhältnis zu den unteren Fassadengeschossen viel zu hoch angelegt. Auf diese Weise konnte jedoch die Höhenwirkung des Turmes um ein Vielfaches gesteigert werden. Eine Betonung der Höhe beabsichtigte der unbekannte Zeichner auch mit der auffälligen Eintragung des Maßstabs, der am linken Rand über die gesamte Länge des Blattes ausgeführt ist.
Die aus mehreren Blättern zusammengesetzte Zeichnung ist kaschiert und war ehemals um einen Holzstab gerollt. Das Blatt stammt aus dem Nachlaß des Kasseler Architekten Leonhard Müller und wurde im Verzeichnis fälscherlicherweise als "Entwurf eines Kirchturms für Trendelenburg" geführt.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
unpubliziert


Letzte Aktualisierung: 19.07.2023



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