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12.17.4.9 - Entwurfsskizzen zu einem Mausoleum (recto und verso), perspektivische Ansicht



12.17.4.9 - Entwurfsskizzen zu einem Mausoleum (recto und verso), perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 6301
Bezeichnung: Entwurfsskizzen zu einem Mausoleum (recto und verso), perspektivische Ansicht
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Zeichner/-in
Datierung: 1784-1786
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Braun
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 29,7 x 18,7 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Die untere Zeichnung zeigt den Innenraum eines römischen Rundtempels in der Art des Pantheons. Hier sind ägyptische Götterfiguren und Obelisken aufgestellt. In der zentralen Achse sitzt über einem von Sphingen bewachten Sarkophag eine Gottheit. Das Halbdunkel des Raumes entspricht der Funktion des Gebäudes als Mausoleum. Der Deckenschmuck aus Sternen und Kreisornamenten ist möglicherweise von frühchristlichen Mosaiken inspiriert, etwa den Ornamentfeldern im Mausoleum der Constantia, der Tochter Konstantins des Großen, an der Via Nomentana in Rom. Der Blickwinkel durch die Säulen hindurch in den Innenraum erinnert an Piranesis Wiedergabe des Pantheon-Innenraums in den "Vedute di Roma" ( Wilton-Ely 1994, Nr. 219). Eine weitere Version, ebenfalls mit dem Blick durch die Säulen hindurch, integrierte er unter dem Titel "Veduta dell'interno del Pantheon" in die Suite "Le Antichità Romane" (Wilton-Ely 1994, Nr. 307).
Die in Gegenrichtung orientierte zweite Zeichnung, ausschließlich in Graphit ausgeführt, zeigt einen Kryptoportikus, der um einen runden Raum führt, in dem neben einem Leuchter ein Sarkophag steht. Dadurch ist auch dieser Raum als ein Mausoleum gekennzeichnet. In den Wandnischen des Umgangs sind darüber hinaus Urnen aufgestellt. Die Gleichmäßigkeit der Bauglieder und der Verzicht auf jegliche Ornamentik verleiht dem Raum eine Strenge, der ihn mit den Konzeptionen der französischen Revolutionsarchitekten verbindet. Gleichwohl kann auch diese Zeichnung vom Mausoleum der Constantia, der heutigen Kirche S. Costanza, inspiriert sein, wo um einen überhöhten Mittelraum ein Umgang mit Tonnenwölbung verläuft. In die dortigen massiven Außenmauern sind Nischen eingeschnitten, wodurch sich eine weitere Parallele zu Jussows Zeichnung ergibt. Die Beschäftigung mit frühchristlicher Architektur war keineswegs außergewöhnlich. Piranesi hatte in seiner Graphikfolge "Le Antichità Romane" der Kirche S. Costanza mehrere Tafeln gewidmet (Wilton Ely 1994, Nr. 378-381), darunter auch Schnitte und Risse. Auch in den "Vedute di Roma" hatte er sie berücksichtigt (Wilton Ely 1994, Nr. 158; im Mai 1806 zeichnete Laves eine perspektivische Innenansicht von S. Costanza, vgl. Zehnpfennig 1988, S. 126, Abb. 16.20). In dieser Radierung wählte er für die Innenraumwiedergabe einen Blickpunkt in Bodennähe, so daß er die Deckenmosaiken im Umgang abbilden konnte. Architektonische Gemeinsamkeiten gibt es außerdem zur Architektur der Kirche S. Stefano Rotondo.
Auf der Rückseite zeichnete Jussow den Blick durch einen römischen Triumphbogen auf eine von einer Säulenkolonnade umfriedete Pyramide. Der Durchgang des Bogens wird von gesockelten Sarkophagen mit Trophäen geschmückt. Sie kennzeichnen damit das Areal mit der Pyramide als Totenbezirk. Die Pyramide ruht auf einem Sockel mit Freitreppe und weist ebenerdig einen rundbogigen Eingang auf. Derartige Substruktionen zeichnete Jussow mehrfach. Als Eingang in die Pyramide dient ein gedrungener viersäuliger Tempel. Die Zeichnung entstand vermutlich nach einer fremden Vorlage. Darauf deutet motivisch vor allem der bewölkte Himmel mit der Sonne hin. Für gewöhnlich verzichtete Jussow in seinen Zeichnungen auf derartige Gestaltungselemente.
Die zweite Zeichnung ist prinzipiell übereinstimmend aufgebaut. Durch einen Bogen, dessen Durchgang mit Säulen, Reliefs und ägyptischen Skulpturen geschmückt ist, geht der Blick auf eine Kolonnadenreihe, die einen vertieft errichteten Obelisken einfaßt. Der Sockel ist mit ägyptisierenden Skupturen geschmückt. Sie wirken wie Atlanten. Über ihnen tragen vier Adler den hieroglyphengeschmückten Obelisken. Eine Tür im Sockel kann nur als Zugang zu einer Grabkammer gedeutet werden. In dem Entwurf sind damit wiederum römische und ägyptische Elemente miteinander verschmolzen. Auch in diesem Fall wird Jussow eine fremde Vorlage kopiert haben, denn der wolkenverhangene Himmel, an dem vermutlich der Mond steht, ist ein im Werk Jussows untypisches Motiv. Wegen der Durchgestaltung aller Partien erhalten die beiden Zeichnungen eine bildmäßige Geschlossenheit.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [FCS]


Literatur:
Katalog Kassel 1999/CD-Rom


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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