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12.2.7.3 - Entwurf zu einer Bibliothek oder einem Archiv, Grundriß



12.2.7.3 - Entwurf zu einer Bibliothek oder einem Archiv, Grundriß


Inventar Nr.: GS 9562
Bezeichnung: Entwurf zu einer Bibliothek oder einem Archiv, Grundriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Zeichner/-in
Datierung: um 1785
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Grau, grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: "D & C BLAUW", darunter bekröntes Lilienwappen mit Anker
Maße: 56,2 x 79 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: verso: "Allerley Ideen" (Graphit)


Katalogtext:
Die rückseitige Beschriftung diese großformatigen Entwurfes mit "Allerley Ideen" weist diesen als Phantasiegebilde aus. Zugrunde liegt ihm die konsequente Anwendung eines Quadratrasters, wie es im Atelier von Etienne-Louis Boullée in Paris gelehrt und nach 1800 durch seinen Schüler Jean Nicolas Louis Durand in den "Précis des leçons d'architecture" weit verbreitet wurde. Diese Methode ermöglichte es Jussow, nach geometrischen Prinzipien Räume zu konstruieren und in vielfältigen Formen zu variieren. Ein wichtiges Gestaltungselement ist dabei die Säule, die am Innen- und Außenbau immer wieder in Erscheinung tritt.
Überraschend erscheint der Verzicht auf Achsensymmetrie. Das quadratische Hauptgebäude mit zentraler Rotunde steht in der Mitte einer Kolonnade aus vier paarweise angeordneten Säulenreihen. Diese begrenzt die Vorderseite eines querrechteckigen Hofs, gebildet aus einer vielfältigen Abfolge von Räumen. An den rechten vorderen Eckpavillon dieser Anlage schließt noch ein kleinerer quadratischer Hof an, der allerdings erst später angesetzt wurde. Er überdeckt den ursprünglichen Eckpavillon der oblongen Anlage. Die Raumfolgen auf der Basis des Quadratrasters erinnern mit ihrem Säulenschmuck und den rechteckigen oder halbrunden Nischen an die römische Thermenarchitektur. Wo diese Raumketten rechtwinklig abknicken, befinden sich kreuzförmige Zentralräume als Überleitung. Der Grundriß des zentralen Gebäudes ist von Palladios Villa Rotonda inspiriert. Im Zentrum steht ein von Voll- und Halbsäulen umstellter runder Saal, in dessen dreieckige Eckzwickel Treppenläufe eingepaßt sind. Ihm sind in Kreuzform vier gleichartige Vestibüle vorgeschaltet. Die vier Räume in den Ecken haben wie das gesamte Gebäude einen quadratischen Grundriß. Die Front wird durch einen achtsäuligen Portikus betont. Da die Wandfläche nur von den Eingängen durchbrochen ist, scheint die Räume ausschließlich durch verglaste Oberlichter beleuchtet zu werden, wie sie in der französischen Architektur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beliebt waren. Dies schließt allerdings eine Funktion als Wohngebäude aus. Aufgrund der Einbauten an den Wänden und den auf einer weiteren Zeichnung (GS 6283) erkennbaren Emporen ist eher an eine Bibliothek oder ein Archiv zu denken.
Ähnlich komplexe Entwürfe wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den Wettbewerben um den Prix de Rome der Akademie in Paris thematisiert. Jussows Entwurf steht zudem im Zusammenhang mit dem Idealprojekt für Schloß Weißenstein (vgl. Potsdam, SPSG, Plankammer, Bestand Kassel XV, Nr. 7/26), dem ebenfalls ein Quadratraster zugrundeliegt. "Allerley Ideen", eine spielerische Variation architektonischer Formen, diente möglicherweise als erste Vorbereitung hierfür.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999 [UH]


Literatur:
Hoeltje 1964, S. 55, Abb. 51, S. 192, Anm. 129; Lohr 1984, S. 127, Anm. 71; Dittscheid 1987, S. 74, Abb. 139; Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Katalog Kassel 1999/1, S. 108, Kat.Nr. 6


Letzte Aktualisierung: 20.09.2017



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