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10.12.2.1 - Grundriß einer pyramidenförmigen Kirche



10.12.2.1 - Grundriß einer pyramidenförmigen Kirche


Inventar Nr.: L GS 15065
Bezeichnung: Grundriß einer pyramidenförmigen Kirche
Künstler: Johann Heinrich Wolff (1753 - 1801), Zeichner/-in
Datierung: 1788 (nach)
Geogr. Bezug: Kairo
Technik: Feder in Schwarz und Grau, schwarz und grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: "D & C BLAUW"
Maße: 36,3 x 23,5 cm (Blattmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit "pieds La Rin" (?)
Beschriftungen: oben mittig: "PLAN / D'une Eglise en Forme exterieure d'une Piramide / Egiptienne la quelle on trouve à Cairo." (Feder in Schwarz)
oben rechts: "Bl. 190." (Feder in Rot)
unten rechts: "JHWolff" (Feder in Schwarz)


Katalogtext:
Das Innere dieser auf einer quadratischen Grundfläche angelegten Kirche bildet ein großer Kuppelraum, der aus der Verschmelzung eines Kreises mit einem kurzschenkligen griechischen Kreuz entsteht. Breite Korridore führen zu den jeweils gegenüber angeordneten Fenster- bzw. Zugangsöffnungen. Quadratische Diagonalkapellen mit abgefasten Ecken sind tief in die Mauerecken gerückt, die mittels schmaler Gänge vom Kuppelraum aus erschlossen werden können. Am Außenbau werden die Maueröffnungen durch flankierende Säulenstellungen betont, die ihrerseits von Rundbogennischen und auf Höhe der Freitreppenwangen durch Lisenen oder Pilaster gerahmt werden. Diagonale Gliederungselemente akzentuieren zudem die Gebäudeecken.
Es ist kaum anzunehmen, daß dieser, dem Titel zufolge, nach einer Pyramide in Kairo gestaltete Kirchengrundriß auf einen eigenständigen Entwurf von Johann Henrich Wolff zurückgeht. Die vielen nach Vorlagen gearbeiteten Studienblätter lassen eher einen vergleichbaren Entstehungsvorgang vermuten, wobei die entsprechende Vorlage bisher nicht ermittelt werden konnte. Die Zeichnung weist Spuren eines Zirkels auf, jedoch keine Hinweise auf einen Kopiervorgang. Ein Interesse an dem Pyramidenmotiv könnte Wolff über Simon Louis Du Ry vermittelt worden sein, der nach dem Stich einer "Chapelle sépulcrale" von Nicolas-Henri Jardin selbst einen Pyramidenentwurf skizziert hatte (StAM P II, 8863/3; Dittscheid 1987, S. 171; Katalog Rom/Dijon/Paris 1976, S. 155).
Ungewöhnlich ist bei der Zeichnung von Wolff das Zusammentreffen von Form und Funktion. Gebäudeentwürfe in Pyramidenform treten seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig in Zusammenhang mit Vorschlägen zu großen Grabmonumenten auf, da die ägyptische Kunst mit einem Ewigkeitsanspruch verbunden wurde. In übersteigerter Form findet sich dieser Gedanke in den konischen Grabpyramiden des Revolutionsarchitekten Étienne-Louis Boullée wieder. Als Grabmonument entstanden auch die zwei Zeichnungen mit der Darstellung einer Einzelpyramide (GS 6296) und einer großen Pyramidenanlage (GS 6297) von Heinrich Christoph Jussow, die dieser im Rahmen seiner Ausbildung an der Kasseler Akademie als Beitrag für die alljährlichen Preisaufgaben erarbeitete. Die Funktion der Wolffschen Pyramide als Kirchenbau könnte eine Weiterentwicklung dieses sepulkralen Gebäudetyps sein, wobei zumindest bei den Diagonalkapellen die Nutzung als Grabraum möglich erscheint.
Stand: September 2004 [MH]


Literatur:
Hallo 1930/1, S. 292


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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