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4.44.1.3 - Meiningen, zweiter Entwurf zur Fassade von Reithaus und Marstallflügel, Aufriß



4.44.1.3 - Meiningen, zweiter Entwurf zur Fassade von Reithaus und Marstallflügel, Aufriß


Inventar Nr.: GS 6063
Bezeichnung: Meiningen, zweiter Entwurf zur Fassade von Reithaus und Marstallflügel, Aufriß
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Architekt/-in
Datierung: 1796
Geogr. Bezug: Meiningen
Technik: Graphit, Feder in Grau, grau laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 38,2 x 54,5 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen: in der Darstellung: "Façade des Reithauses bei dem neuen Marstalle / des Herzogs von Meiningen / Façade des neuen Marstalles daselbst." (Feder in Braun)


Katalogtext:
Der zweite Aufrißentwurf zum Marstall in Meiningen berücksichtigt einige der Korrekturen von Georg I. Am stärksten hat Jussow die Fassade des Reithauses verändert und damit dem Wunsch des Herzogs nach einer Aufwertung dieses Flügels Rechnung getragen. Zwar konnte er sich nicht zu der vorgeschlagenen zentralen Kuppel durchringen, eine andere Proportionierung des gesamten Traktes betont jedoch das Reithaus und seinen Eingangsbereich wesentlich stärker als noch im ersten Entwurf. So reduzierte Jussow die Länge des Gebäudes erheblich und fügte als Verbindung zwischen dem Reithaus und den anschließenden Schmalseiten der beiden anderen Flügel rustizierte Torbögen ein. Weiter akzentuierte er den Eingangsbereich, indem er ihn als Risalit hervorspringen ließ und bekrönte ihn zusätzlich durch ein Giebelfeld, das mit figürlichen Szenen geschmückt war. Die beiden in der Dynamik gesteigerten Reitergruppen rückte er näher an das Portal heran und gab ihnen damit eine Position, die er in Graphit bereits im ersten Entwurf angedeutet hatte. Hob Jussow dort das Reithaus deutlich vom Marstall ab, indem er dessen Fassade nur durch zwei Lünettenfenster mit kleinen Nischen darunter gliederte, so glich er die beiden Flügel jetzt einander an. Im gleichen Achsabstand wie den Marstallflügel unterteilte er das Reithaus durch kleine rundbogig geschlossene Fenster. Im Vergleich zu der äußerst schlichten auf das Portal konzentrierten Fassade des ersten Entwurfes mit den kräftigen Akzenten der beiden Lünettenfenster wirkt dieser Plan konventioneller und spannungsloser.
Dies gilt auch für die Umgestaltung des Marstallflügels: Durch den Verzicht auf die seitlichen Risalite und die vorgestellten Doppelsäulen im Eingangsbereich sowie durch die gleichmäßige Gliederung der Fassade mit Blendarkaden im Erdgeschoß und mit Rechteckfenstern darüber ist diese Variante weniger abwechslungsreich als der frühere Entwurf. Erneut zeigt sich die Tendenz zur Vereinheitlichung: die freihstehenden Säulenpaare wurden durch die eingestellten Säulen dorischer Ordnung vom Reithaus ersetzt.
Was die Motive angeht, so lehnt sich Jussow deutlich an die französische Revolutionsarchitektur, insbesondere an Ledoux, an. Das Portal des Reithauses mit den eingestellten Säulen und der Skulptur auf dem Gebälk variiert etwa die Eingangssituation des Pavillon Guimard in Paris und der Torbogen zwischen den Flügeln den Triumphbogen vor dem Hôtel Thélusson (vgl. dazu Gallet 1983, S. 86-92, 199-205). Beide Bauprojekte waren durch Stichreproduktionen allgemein bekannt. Das Bogenmotiv des Hôtel Thélusson ist noch ein weiteres Mal von Jussow aufgegriffen worden (GS 12487).
Da die Zeichnung nicht laviert ist und auch keine Faltspuren aufweist, wird es sich um eine Vorzeichnung oder eine Kopie nach dem Blatt handeln, das Jussow nach Meiningen sandte. Möglicherweise war Jussow selbst mit diesem Entwurf nicht zufrieden und schickte eine weitere Variante nach Meiningen. Wie auch immer, Georg I. scheint auch von seinem zweiten Versuch nicht überzeugt gewesen zu sein. Denn das Reithaus, das vermutlich 1797 begonnen wurde, entstand nicht nach Jussows Plänen, sondern nach den Entwürfen eines italienischen Architekten. Die noch bestehende Anlage blieb unvollendet (Lehfeldt 1909, S. 195f.; Skalecki 1992, S. 198).

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [CL]


Literatur:
Katalog Kassel 1958, S. 41, Nr. 109; Berckenhagen 1979, S. 176; Skalecki 1992, S. 198f.; Katalog Kassel 1999/CD-Rom; Katalog Kassel 1999/1, S. 252, Kat.Nr. 107


Letzte Aktualisierung: 09.04.2015



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