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12.17.4.3 - Architekturcapriccio mit einem ruinösen Rundtempel, perspektivische Ansicht



12.17.4.3 - Architekturcapriccio mit einem ruinösen Rundtempel, perspektivische Ansicht


Inventar Nr.: GS 6088
Bezeichnung: Architekturcapriccio mit einem ruinösen Rundtempel, perspektivische Ansicht
Künstler: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825), Zeichner/-in
Datierung: 1785/86
Geogr. Bezug:
Technik: Graphit, Feder in Grau und Braun, braun laviert
Träger: Papier
Wasserzeichen: keine Angabe
Maße: 40,6 x 65,5 cm (Blattmaß)
Maßstab: -
Beschriftungen:


Katalogtext:
Jussows Zeichnung einer runden Tempelruine vereinigt Elemente verschiedener römischer Bauten. Die kassettierte, im Scheitel mit einem Opaion geöffnete Kuppel hat als Vorbild das Pantheon, während das doppelschalige Untergeschoß auf den Kuppelsaal in den licinianischen Gärten verweist, den Tempel der Minerva Medica, wie er im 18. Jahrhundert benannt wurde.
Bei der von Jussow vorgeschlagenen Konstruktion sind die Säulen mit einem Tonnengewölbe, welches durch das Gebälk verdeckt wird, mit der Außenwand verbunden, so daß der dorische Säulenkranz frei in den Raum gestellt erscheint. Über den Säulen sollten Skulpturen stehen, worauf in der Zeichnung eine einzige Figur hinweist.
Derartige Säulenringe in Rundgebäuden entsprachen dem Geschmack der Zeit und finden sich in dem französisch beeinflußten englischen Klassizismus, etwa bei Marie-Joseph Peyre oder William Chambers. Gewisse Ähnlichkeiten gibt es zu Chambers Mausoleumsentwurf für Frederick, Prince of Wales, von 1752 (Stillman 1988, Bd. 1, S. 66). Ebenso lassen sich Parallelen zu Plänen der Revolutionsarchitekten aufzeigen (vgl. z. B. Pierre-François-Léonard Fontaine, Grabmonument für die Herrscher eines großen Reiches, 1785; vgl. Katalog Baden-Baden 1970, S. 255, Abb. 148; Manuskript Schuchard/Dittscheid), etwa zu Boullées Entwurf für ein Museum (Katalog Hamburg 1989, S. 170f., Nr. 162), der zu den großformatigen, bildmäßigen Zeichnungen für seinen "Essai sur l'Art" gehört.
In der Mitte der Anlage sah Jussow einen Rundaltar vor, den Bukranien und Festons schmücken. Diesen relativ häufigen Altartypus studierte er in Einzelzeichnungen separat, etwa in GS 6142. Der Rückgriff auf dorische Säulen im Innern des Bauwerks erklärt sich durch seine Kenntnis der Paestaner Tempel. Die am linken Rand gezeichneten Ruinen sind dagegen von Überresten antiker Wasserleitungen aus der römischen Campagna inspiriert. Die Vegetation wirkt mediterran, so erinnert der kleine Baum auf dem Aquädukt an Schirmpinien.
Die Zeichnung entstand als Capriccio vermutlich 1785/86 in Italien, obwohl sie mit Kasseler Projekten der folgenden Jahre Gemeinsamkeiten aufweist. So kombinierte Jussow in seinem ersten, nicht realisierten Entwurf für den Aquädukt im Park bei Schloß Weißenstein eine ruinöse Wasserleitung mit einem Kuppelsaal, allerdings in gänzlich anderer Ausprägung (GS 5845 u. GS 5846). Die in GS 6088 sorgfältig angelegten Wege deuten auf das Ambiente eines Landschaftsgartens hin. Tatsächlich entwarf Jussow in GS 5727 für den Apolloberg im Park am Schloß Weißenstein eine halbrunde Ruine neben den Resten eines Aquädukts, die jedoch wenig Ähnlichkeiten mit dem vorliegenden Blatt aufweist. Möglicherweise griff er in diesen Kasseler Projekten auf eine Idee zurück, die er bereits in Italien entwickelt hatte.

Text übernommen aus Katalog Kassel 1999/CD-Rom [FCS]


Literatur:
Katalog Kassel 1958, S. 9, Nr. 13; Katalog Kassel 1986/1, S. 132, Abb. 24f; Katalog Kassel 1999/CD-Rom


Letzte Aktualisierung: 15.04.2020



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