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3.40.1.4 - Großkrotzenburg, St. Laurentius, Neubauentwurf mit Zweiturmlösung, Aufriß der Hauptfassade und Querschnitt



3.40.1.4 - Großkrotzenburg, St. Laurentius, Neubauentwurf mit Zweiturmlösung, Aufriß der Hauptfassade und Querschnitt


Inventar Nr.: L GS 8044
Bezeichnung: Großkrotzenburg, St. Laurentius, Neubauentwurf mit Zweiturmlösung, Aufriß der Hauptfassade und Querschnitt
Künstler: Julius Eugen Ruhl (1796 - 1871), Architekt/-in
Datierung: 1826-1828
Geogr. Bezug: Großkrotzenburg
Technik: Graphit, Feder in Schwarz
Träger: Papier
Wasserzeichen: "J WHATMAN / TURKEY MILL / 1822"
Maße: 60 x 48 cm (Blattmaß)
52 x 40,9 cm (Darstellungsmaß)
Maßstab: bezifferter Maßstab mit Maßeinheit Fuß
Beschriftungen:


Katalogtext:
Das zu L GS 8045 gehörige Blatt zeigt eine in schwarzer Feder ausgeführte Darstellung der Hauptfassade sowie einen Querschnitt in unvollendetem Zustand.
Die breit gelagerte, zweischichtige Giebelfassade wird von viergeschossigen Türmen unter flachem Pyramidialdach flankiert, die eine dem klassizistischen Entwurf entsprechende Symmetrie gewährleisten. Ruhl rückte damit von seiner zunächst vorgestellten Einturmfront (L GS 8050) ab, die die Wirkung der Fassade erheblich verringert hatte. Eine vergleichbare Gestaltung der Hauptfront aus einer Giebelfassade und einer rahmenden Turmstellung wählte Friedrich von Gärtner bei der Münchener Ludwigskirche, die in einer langen Bauzeit zwischen 1829 und 1844 im Stil des romantischen Klassizismus errichtet wurde. Bei der Turmplanung mußte sich Ruhl mit der Vorgabe auseinandersetzen, die spätmittelalterliche Bausubstanz des vorhandenen Turmes in die Neubauplanung zu integrieren. Da eine axiale Stellung wegen der Geländedisposition nicht möglich war, stellte Ruhl eine Zweiturmfront vor, die den Altbaubestand im Untergeschoß des westlichen Turms (s. Fugennetz) bewahrt. Durch einen zweigeschossigen Aufsatz mit einer der Serliana verwandten Bogenstellung im Unter- und einer Schallarkade im Obergeschoß wollte Ruhl den Turm repräsentativ erhöhen und ihn so dem Erscheinungsbild des übrigen Kirchengebäudes angleichen (Gorenflo 1985, S. 176). Aus Kostengründen konnte zunächst keine bauliche Veränderung am spätgotischen Westturm vorgenommen werden. Erst 1857 wurde er im neogotischen Stil um 15 Meter aufgestockt und mit einem neuen Turmhelm versehen.
Die beiden unteren Geschosse schließen mit der Taufhöhe des Langhauses ab. Der eigentliche Eingangsbereichs, der als flacher übergiebelter Risalit vorkragt, zeigt einen in der Mittelachse gelegenen Säulenaltan. Darüber ist als ein weiteres Motiv der palladianischen Architektur eine querrechteckige Fensteröffnung mit eingestellten Säulen und einem halbrunden Blendbogenfeld angeordnet. Der den Säulen auflagernde Fenstersturz, der den durchfensterten Teil von dem geschlossenen Mauerfeld trennt, wird seitlich als Gesims weitergeführt und bildet das trennende wie das verbindende Element des gesamten Fassadenaufbaus. Im Bereich der Giebelfassade zeigt es die Grenze zwischen Wandaufriß und Giebel an. Im Langhausbereich fungiert es als Traufgesims und umspannt so den ganzen Bau. In gleicher Weise wirkt das Gesims zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptfassadengeschoß, das sich um den ganzen Bau zieht und die Fenster an den Seitenfassaden und an der Chorapsis in einen längsrechteckigen und einen rundbogigen Teil in Lünettenform trennt (s. L GS 8045 u. L GS 8049).
Der Querschnitt zeigt als Reaktion auf die Kritik des Fuldaer Generalvikariats vom 20. Februar 1826 ein wesentlich niedrigeres Dach, das sich im Vergleich zum ersten Entwurf L GS 8050 durch stärker geneigte Walmgrate auszeichnet. Das flache Dach bedingt eine Dachkonstruktion mit liegendem Dachstuhl und Hängewerk. Während im Kirchenschiff eine Flachdecke mit Kehlung ausgeführt werden sollte, scheint über der halbkreisförmigen Chorapsis eine Wölbung geplant gewesen zu sein. An dieser Stelle sollte der Hochaltar plaziert werden, der hier als Ädikula-Altar mit vier korinthischen Freisäulen dargestellt ist. In dieser Ausführung entspricht der Altar der von Gorenflo nach zwei Entwurfsblättern im Hessischen Staatsarchiv Marburg vorgestellten Entwurfsvariante II, die einer Planung mit Pfeilern und Doppelpilastervorlagen folgte (Gorenflo 1985, S. 178, Abb. 7 u. 8). Gorenflo bringt diese Planungen mit einem am 3. November 1811 datierten Bericht von Ruhl in Zusammenhang, der den Wunsch der Gemeinde nach einem zeitgemäßen Hochaltar thematisiert. Gegen diese Datierung sprechen das Wasserzeichen mit der Jahreszahl "1822", das eine Entstehung des Blattes nach 1827 unwahrscheinlich erscheinen läßt, und die nicht ausgeführte Zweiturmlösung, die auf eine frühere Planungsphase vor dem Bauende im Jahr 1828 hindeutet. Da die Änderung der Dachkonstruktion auf eine Zeit nach dem 20. Februar 1826 zurückzuführen ist, ergibt sich ein Entstehungszeitraum der Zeichnung zwischen 1826 und 1828. Ruhl fertigte sie vermutlich vor dem Marburger Blatt an, da er die hier noch in Graphit eingetragene Rahmung des Altars durch aufgesockelte Figuren später offensichtlich verworfen hat.
Stand: Mai 2005 [MH]


Literatur:
Lohr 1984, S. 98f., Obj.Nr. 9, Abb. 19b


Letzte Aktualisierung: 08.09.2017



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